Wirkungsvolles Feedback
Ruth Elsässer • August 25, 2023
Welche Rahmenbedingungen benötigt wirkungsvolles Feedback? Was Feedback im Gegensatz zu Kritik ausmacht, und welche Umstände gegeben sein müssen, dass Menschen Rückmeldungen aufnehmen und in einem weiteren wichtigen Schritt in Aktion kommen, wird in diesem Blogpost erörtert.
Lesezeit: 5 Minuten
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Hand aufs Herz: Ich kenne niemanden – mich eingeschlossen :) - der gerne von anderen hört, dass bestimmte Verhaltensweisen nicht ok waren, unerwünscht sind, vielleicht sogar Menschen verletzt haben.
Ob wir Feedback eher als Vorwurf oder Bedrohung wahrnehmen und in Abwehrstellung gehen oder darin eine hilfreiche Rückmeldung sehen, für die wir dankbar sind, hängt von einigen Kriterien ab. Bevor ich näher darauf eingehe, möchte ich zuvor den Unterschied von Feedback und Kritik erläutern.
Feedback versus Kritik
Ehrliches und konstruktives Feedback
hilft uns bei der Steuerung und Regulierung von Entwicklungsprozessen und damit unser Potenzial zu entfalten. Feedback macht uns unter Umständen auf Verhalten aufmerksam, dass uns nicht mal bewusst ist. Und was uns nicht bewusst ist, können wir nicht verändern!
Der Feedbackgeber beschreibt in der ICH-Form, welches Verhalten er oder sie konkret
beobachtet hat, wie es erlebt
oder verstanden
wurde und auf den Feedbackgeber wirkt. Es handelt sich weder um eine Beurteilung oder Interpretation noch sollte Feedback provozieren oder als Vorwurf rüberkommen. Feedback richtet sich deshalb immer auf Verhalten und nie auf die Person selbst.
Im Feedback wird beschrieben, was gut und hilfreich war, und zeigt auch Bereiche auf, in denen es einer Veränderung bedarf. In diesem Zusammenhang wird im Feedback ein konkreter Wunsch geäußert, welches Verhalten stattdessen hilfreich wäre. In diesem Zusammenhang ist Feedback immer zukunftsorientiert und zeigt neue Wege und Perspektiven auf.
Wenn Feedbackgeber Bereiche aufzeigen, in denen Entwicklungsbedarf besteht, ist zu beachten, nicht mit Feedback zu überfallen. Gibt es mehrere Entwicklungsbereiche, kann der Fokus auf den Wichtigsten ausgerichtet werden. Andere Aspekte werden zurückgehalten, bis Raum für weitere Entwicklungsschritte gegeben ist. „One thing at a time“.
Die Regeln für den Feedbacknehmer bestehen darin, dass er das Gehörte aufnimmt und reflektiert und keine Verteidigungshaltung einnimmt. Er kann Rückfragen stellen, wenn ihm Rückmeldungen nicht ganz klar und auch nicht konkret genug sind.
Konstruktives Feedback: zeitnah, konkret, Wahrnehmung (Ich-Form), konstruktiv, zukunftsorientiert.
Kritik
hingegen bezieht sich auf eine Situation, auf Handlungen oder eine Person und wird in Form einer bewertenden, manchmal auch vorwurfsvollen Rückmeldung gegeben und so stehen gelassen. Manchmal nutzt der Kritisierende dabei die Formulierung „Du…“ gepaart mit einer Generalisierung wie „immer oder nie“. Kritik analysiert, was in der Vergangenheit passiert ist, und stellt häufig vermeintliche Fehler in den Mittelpunkt. Somit werden Fehler abgestraft und nicht als Wachstums- und Lernunterstützung gesehen. Die Wirkung von Kritik ist sehr gering, meist führt sie eher dazu, dass Menschen eine Abwehrhaltung ergreifen und jegliche Rückmeldung abblocken. Fühlen sich Menschen häufig kritisiert, kann Kritik auch toxische Wirkungen entfalten und Menschen in negative Verhaltensspiralen drängen.
Kritik: Fehlerfokussiert, allgemein, bewertend, destruktiv, vergangenheitsorientiert.
Rahmenbedingungen für konstruktives Feedback
Die Kriterien für konstruktives Feedback können wir in jeder Lebenslage einsetzen, im beruflichen Umfeld genauso wie in Konfliktgesprächen zu Hause mit Ehepartner, Kindern oder Nachbarn.
Dabei gründet sich wirkungsvolles Feedback auf zwei Säulen:
- Die Waage stimmt! John Godman, ein bekannter amerikanischer Paartherapeut, hat in Studien mit Paaren herausgefunden, dass lang anhaltende, lebendige Beziehungen ein Verhältnis von Wertschätzung zu Kritik von mindestens 5:1 haben. Es braucht also 5 positive Interaktionen, um eine negative Rückmeldung auszugleichen. Weitere Studien belegen diese Erkenntnis. Losada und Heaphy (2004) haben verschiedene Teams beobachtet und festgestellt, dass regelmäßige Wertschätzung und Lob zu einer höheren Produktivität und mehr Verbundenheit führen. Darüber hinaus wissen wir, dass sich Lernende in einem wertschätzenden Umfeld sicher fühlen und eher bereit sind, Neues zu lernen und Risiken einzugehen.
Es braucht also im Verhältnis mehr Wertschätzung und Lob, um Menschen in die Bereitschaft zu versetzen, konstruktives Feedback anzunehmen. Je mehr wir uns dadurch angenommen, gesehen und sicher fühlen, desto mehr sind wir bereit, an uns zu arbeiten.
- Feedback wird vorgelebt! Reflektieren Sie kurz, von wem würden Sie eher Feedback annehmen, von jemandem, von dem Sie wissen, dass er sich auch regelmäßig Feedback geben lässt und stetig an sich arbeitet? Oder von jemandem, dem Rückmeldungen nicht wichtig sind und der immer den Anschein macht, dass er sowieso schon alles weiß und kann? Ich vermute Ersteres.
Personen, die mit gutem Beispiel vorangehen, an sich arbeiten und lebenslanges Lernen verkörpern, agieren immer auf Augenhöhe. Egal wo und in welcher Funktion sie auf andere Menschen einwirken: diese Feedbackgeber leben vor, was sie von anderen erwarten! Denn Veränderung fängt immer beim Feedbackgeber an.
„Behandle die Menschen so, als wären sie, was sie sein sollten, und du hilfst ihnen zu werden, was sie sein könnten.“
Johann Wolfgang von Goethe

Während unseres Urlaubs in Italien wollten wir einen Stau auf der Autobahn umfahren, um Zeit zu sparen. Also haben wir die Autobahn verlassen, um über einzelne Dörfer abzukürzen. Nach der Hälfte wurden die Straßen immer enger und steiler. Plötzlich standen wir vor einem engen, mittelalterlichen Stadttor. Thomas hat beim Auto schon die Seitenspiegel einklappen müssen, um sich langsam vortasten zu können, uns war jedoch schnell klar, dass der Wohnwagen da niemals durchpassen wird. Hinter uns fingen die ersten Autos an zu hupen, immerhin steckten wir im Stadttor fest – es ging erstmal nichts mehr. Da es Einbahnstraße war, mussten die Autos hinter uns zurücksetzen, sodass wir zumindest etwas rückwärts an die Seite rollen konnten, um die Autos passieren zu lassen. Da standen wir nun, an der steilen und stark befahrenen Einbahnstraße vor dem Stadttor. Passieren unmöglich. Stupido! 🙈 Solche Stadttore sieht man in vielen mittelalterlichen Städten in Italien noch aus Zeiten, in denen zum Schutz der Einwohner streng kontrolliert und reguliert wurde, wer die Stadt betreten darf und wer nicht. Neben der Kontrolle war es auch Aufgabe der Torwächter die Stadttore zu schließen, dann wenn Gefahren drohten. Wisst ihr, dass auch wir Torwächter sind? Wir können entscheiden, was und wem wir unsere Aufmerksamkeit schenken und was wir mit den vielen Reizen machen, denen wir täglich ausgesetzt sind. Trigger wie Enttäuschung, ungerecht behandelt oder abgelehnt fühlen, der Erfolg des Nachbarn oder Kollegen, den wir ihm eigentlich nicht gönnen, der Unterton des Chefs, der uns schon den ganzen Nachmittag ärgert, oder depressive Gedanken, die uns schon seit dem Aufstehen blockieren. Auch scrollen in den sozialen Medien ist eine Flut von Reizen, die uns im Sekundentakt Entscheidungen abverlangt und uns dazu drängt, Vergleiche zu ziehen. Kein Wunder, dass uns die ganze Flut an Informationen und Triggern zur mentalen Erschöpfung treibt. Für alle Dinge, die wir selbst beeinflussen können und in der Hand haben, sind wir selbst verantwortlich. Wir haben unser Glück selbst in der Hand, indem wir steuern, was wir täglich in uns aufnehmen und was äußere Reize mit unseren Emotionen und Gedanken machen. Wir selbst haben eine Torwächterfunktion. Wir können unserem erschöpften Geist Pausen gönnen und die Zeit in den sozialen Medien auf ein paar Minuten pro Tag beschränken. Oder wir transformieren die empfundene Ablehnung und Enttäuschung, indem wir sie wahrnehmen, dann jedoch überlegen, was uns jetzt gerade helfen kann, negative Gedankenkarusselle zu stoppen. Oder wir akzeptieren, dass unser Chef einen schlechten Tag hat, denn ich habe das auch ab und zu und überlege, wann ich zu einem anderen Zeitpunkt nochmal mit ihm über das Thema spreche. Nein – ich spreche hier nicht über positives Denken, denn das verleugnet Realität und drängt uns dazu, in allem und jedem etwas Positives zu sehen. Das ist unrealistisch und sogar toxisch für unsere mentale Gesundheit. Gefühle wie Angst, Enttäuschung, Frust, Ärger etc. sind menschlich und sie sagen uns etwas über uns selbst, über unsere Werte und Erwartungen. Doch jetzt kommt der entscheidende Teil - ich bin verantwortlich, was ich damit mache. Hier nehmen wir die Torwächterfunktion ein: Lasse ich zu, dass Ängste mich lähmen oder Enttäuschung Bitterkeit in mir erzeugt oder der Ärger über meinen Chef meine Zufriedenheit zerstört oder die sozialen Medien meinen Tag bestimmen. Oder mache ich ständig andere dafür verantwortlich, wie es mir gerade geht und wie ich mich fühle. Übernimm Verantwortung und reguliere, was Reize von außen in dir auslösen und mit dir machen. Und besinne dich darauf, was dir wichtig ist. Jetzt wollt ihr sicher wissen, wie unser Erlebnis mit der Stadtmauer ausging. Ich war so verzweifelt, dass ich das Beten angefangen habe: Herr, schicke uns deine Engel zur Hilfe. Die kamen umgehend in einem Polizeiauto der örtlichen Police, drei Polizisten, denen nichts anderes übrig blieb für uns Straßen zu sperren und den Verkehr lahm zu legen, so dass Thomas mit dem Gespann langsam rückwärts den Berg runterrollen konnte, auf einer Kreuzung drehen und in Richtung Autobahn zurückfahren. Unsere Rettung! Trotzdem waren wir erst einmal geheilt was Stau und Ausweichrouten anging. 😅 Quelle: Furtick, S. (2024). Do the New You: 6 Mindsets to Become Who You Were Created to Be.